Wer ist Christian?

Unser ältester „Schüler“ ist eigentlich kein Schüler mehr. Sogar schon lange nicht mehr. Er war auf der Universität von Namibia in Windhoek und hat im April diesen Jahres sein Juraexamen abgelegt. Wir können es kaum fassen – acht Jahre gemeinsame Zeit und jetzt steht er da und hat einen Abschluss-Hut auf dem Kopf. Wir gratulieren und ziehen den Hut vor so viel Durchhaltevermögen, Leidenschaft für den gewählten Weg und so viel Zeit fürs Lernen und Studieren.

Christians Start in die Schulzeit war etwas holprig. Eigentlich werden in Namibia die Kinder im Alter von sechs Jahren eingeschult. Zu dieser Zeit war Christian mit seiner Mutter und den fünf Geschwistern allerdings in Nordnamibia. Kurz zuvor war der Vater verstorben und die Mutter stand mit sechs kleinen Kindern alleine da. Nach drei Jahren zog die Familie wieder zurück nach Katutura und Christian wurde endlich eingeschult. Mit seinen neun Jahren war er deutlich älter als die meisten anderen in seiner Klasse.

Für viele Familien in Namibia ist es sehr schwer, Bildung für ihre Kinder zu bezahlen. Wer vor die Wahl gestellt wird, ob abends Essen für die Kinder da ist oder ob man sie in die  Schule schickt – derjenige hat oftmals leider keine echte Wahl.

Da sind die Schulgebühren, die Uniform, Hefte, Bücher und Stifte. Oft sind die Schulen weit vom Wohnort entfernt. Entweder spart man Zeit und fährt mit einem Sammeltaxi oder der Schüler ist eben zwei oder mehr Stunden pro Tag zu Fuß unterwegs. Das ist Zeit, die an anderer Stelle fehlt.

Christian war von Beginn an ein sehr interessierter Schüler, der sich für die unterschiedlichsten Fächer begeistern konnte. Wer jetzt meint, ein Bücherwurm eben, der täuscht sich gewaltig.

Der Weg zur Uni

Unser Projektmanager Peacemaker sagt:

„Ich kenne Christian seit der Volksschule. Damals kam er immer zum Essen in die Suppenküche (Home of Good Hope).

Unsere Freundschaft begann in dem Moment als er dem Home of Good Hope Fußball-Team beitrat, das ich damals trainierte. Er war ein phänomenaler Fußballspieler, sehr respektvoll gegenüber seinen Teamkollegen und den Trainern wie auch den gegnerischen Teams. Er war immer sehr höflich und korrekt gegenüber allen in der Suppenküche und war gut in der Schule.

Als ich mitbekam wie seine Schulleistungen waren, wusste ich, dass er die Möglichkeit Teil des Friends 4 Friends Education Programms zu werden sehr verdient hatte. Ihm fehlten einfach nur die finanziellen Mittel um die Universität besuchen zu können.“

Zu Beginn der 9. Jahrgangsstufe hat Peacemaker uns auf Christian aufmerksam gemacht. Das war im Jahre 2015. Seitdem ist er bei „Friends 4 Friends“ im Programm. 2019 hat er sein Abitur abgelegt und im gleichen Jahr angefangen zu studieren. Mehrere Jahre hat Christian während seines Studiums in der Organisation des Theaterclubs mitgewirkt. Schon zu dieser Zeit war das seine Art, auch etwas an uns zurückzugeben.

Es war eine lange gemeinsame Reise, die noch nicht zu Ende ist. Zum einen kommen nochmal Prüfungen im Herbst um auch Mandanten vor Gericht vertreten zu dürfen. Zum anderen hat sich Christian dazu bereit erklärt, als unser Alumni die anderen Schüler und Studenten auf ihrem schulischen und universitären Bildungsweg zu begleiten. Oftmals mangelt es den Schulabsolventen an Ideen, was man mit der eigenen Zukunft anfangen könnte. Bei uns gibt es die Agentur für Arbeit, es gibt Praktika und Schnuppertage. All das gibt es in Namibia nicht.

Wie gehts weiter?

Aber wir haben jetzt Christian, der zusammen mit unseren Schüler*innen in den Abschlussklassen herausfinden will, wohin deren berufliche Reise gehen könnte.

Zum  Abschluss dieses Artikels geben wir das Wort an Christian selbst: „Als Rechtsanwalt zu arbeiten ist etwas, das mir sehr ans Herz gewachsen ist. Jeden Tag lerne ich etwas Neues und ich begeistere mich dafür mein Wissen weiter auszuweiten. Meine Leidenschaft dafür wächst und wächst.

Ich widme meinen Titel in Rechtswissenschaften meinem verstorbenen Vater, der – da bin ich mir sicher – die ganze Zeit über an meiner Seite war, meiner Mutter, die uns nie aufgab, meinem Onkel für die große Verantwortung, die er auf sich nahm um uns groß zu ziehen, meinen Geschwistern für die Opfer, die sie erbrachten und Friends 4 Friends für die große Rolle, die sie beim Erwerb meiner Bildungskarriere spielten. Zu guter letzt möchte ich meinen Titel Gott widmen, da er mir den Mut, das Wissen und die Stärke in dieser herausfordernden Zeit des Studiums gab.“

Wir sind mega-stolz auf „unseren“ Christian und seine hervorragende Performance im Studium. Einen jungen Mann, den wir begleiten durften und der so viel zurückgegeben hat und noch zurückgeben wird.